Robert Wasner
Südstr. 1
01705 Freital
Qualifizierung in der Tagespflege
berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahme
aus dem ESF-Fonds gefördert
Prüfungsleistung: Hausarbeit
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Naturnahe Tagespflege als Tagesvater |
1.1 Meine bisherige berufliche Laufbahn
1.2 Meine Prioritätenverschiebung von der Technik zur Natur
1.3 Meine Erfahrungen mit Kindern, Nichten und Neffen
1.4 Als Mann in der Tagespflege
2 Warum naturnahe Tagespflege?
2.1 Natur erleben ohne Türen und Wände
Meine beruflichen Wurzeln liegen weitab der Kinderbetreuung, sie finden sich im Bereich der Technik. Begonnen habe ich nach Abschluss der Lehre zum Mechaniker als Automatenbediener in der Elektronikindustrie. Mit der gesellschaftlichen Wende in unserem Land ergriff ich meine Chance und wechselte in die IT-Branche. Hier war ich unter anderem als Softwareentwickler, Support-Mitarbeiter, Dozent und Systemadministrator tätig.
All diese Tätigkeiten beschäftigten sich mit „toter“ Materie. Auch wenn ich als Softwareentwickler einmal der Meinung war, dieser Materie „Leben“ einhauchen zu können.
In meinem Leben habe ich Teile dieser technisierten Welt geschaffen. Besonders die letzten Jahre in der IT Branche haben meine Augen für andere Dinge im Leben geöffnet. Erschreckend sind Besuche in Spielwarenabteilungen großer Kaufhäuser. Die Anzahl nicht batteriebetrieben Spielzeuge schwindet von Jahr zu Jahr. In dieser Zeit löste der Anblick eines gewöhnlichen mechanisch betriebenen Brummkreisels in Aktion bei älteren Kindern erstaunliche Reaktionen aus: „Das geht ja ohne Batterie?!“.
Erlebnisse dieser Art haben mir den Entschluss einer beruflichen Neuorientierung leicht gemacht.
In den letzten Jahren habe ich eine sehr intensive Beziehung zu meinen sieben Nichten und Neffen im Alter zwischen 2 und 9 Jahren aufgebaut. Bei Familienfeiern oder Urlaub im Haus der Großeltern, in dem auch ich wohne, liegt die Kinderbetreuung oft in meinen Händen. Meine Angebote zu Aktivitäten werden von den Kindern begeistert angenommen.
Trotz längerer Abstände, teilweise bis zu einem halben Jahr, ist dieses Verhältnis sofort wieder da.
Mein Entschluss in der Tagespflege zu arbeiten, löste in meinem Verwandten- und Bekanntenkreis die gesamte Bandbreite von Ablehnung bis Zustimmung aus.
Mir ist der Ausbruch aus klassischem geschlechtstypischem Rollenmuster bewusst. Kinder erleben bis in die Grundschule als Bezugspersonen fast ausschließlich Frauen als Mutter, Oma, Tante, Kindergärtnerin oder Lehrerin. Durch meine praktischen Erfahrungen mit Kindern und ein längeres Gespräch mit einer meiner Grundschullehrerinnen sehe ich mich bestärkt, in diesem „Frauenberuf“ bestehen zu können. Diese Lehrerin möchte ab Sommer nächsten Jahres ihre Enkel in meine Obhut geben.
Für ein Kind muss der Wald hinter unserem Haus schier unendlich groß sein. In den Jahren der Tagespflege wird es das Ende nie erreichen. Auf Grund seines Wissens kennt ein Erwachsener das Ende des Waldes. Für ihn gibt es viele Dinge die er auf Grund seines Blickwinkels, und sei es nur bedingt durch die Körperhöhe, nicht sieht oder beachtet. Ein Herunterschrauben auf Kinderniveau wirkt Wunder. Plötzlich entdecken wir Sachen die vorher für uns nicht da waren und der Wald wird unendlich groß.
Für Kinder bedeuten wenige Meter Spaziergang im Wald fast unendlich viele neue Entdeckungen. Die Möglichkeit, die Natur im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten zu erleben, einzelne Lebewesen von der Geburt bis zum Verfall zu beobachten, die Natur als Gesamtheit mit ihren Wechselwirkungen und sich als Mensch in Beziehung dazu.
Regeln sind die Grundlage gesellschaftlichen Zusammenlebens. Außerhalb eingezäunter Spielplätze gelten aber spezielle Regeln. Kinder müssen diese im eigenen Interesse einhalten. Grundsätzliche Regeln und Folgen der Missachtung lassen sich kindgerecht erklären.
Die zwei wichtigsten Grundregeln in der Natur sind:
Beim Einhalten der Regeln kommt sehr schnell eine Gruppendynamik zustande. Kinder machen sich ohne Einwirken eines Erwachsenen auf Fehler aufmerksam. Sie lernen miteinander und voneinander.
Viele Dinge sind ohne Hilfe Anderer nicht möglich. Nur in der Gruppe kann ein schwerer Ast oder Stein bewegt, ein glitschiger Abhang oder ein Bach überwunden werden. Durch das Zusammensein in der Gruppe lernen die Kinder ihre Bedürfnisse und Wünsche zu äußern, dabei entscheidet die Gruppe über die Annahme oder Ablehnung. Auch an der Gestaltung des Tagesablaufs können sich die Kinder, innerhalb gesetzter Regeln, aktiv beteiligen.
Die hier erlernte Teamfähigkeit ist ein wichtiger Bestandteil für die weitere Entwicklung.
Die Natur stellt eine Herausforderung für die Wahrnehmung und Motorik der Kinder dar. In unseren heutigen Städten dominieren ebene Flächen, Wege und Strassen werden asphaltiert, Grünflächen werden plangezogen. Es gibt kaum Möglichkeiten auf unebenem Gelände zu laufen oder zu rennen. Bewegung auf unebenem und ständig wechselndem Untergrund kräftigt die Muskulatur, schult den Gleichgewichtssinn und die Koordinationsfähigkeit, harmonisiert Bewegungsabläufe. Durch die intensive Schulung der Grobmotorik wird die Feinmotorik verbessert. Auch in der Natur gibt es ausreichend Möglichkeiten zur Schulung der Feinmotorik.
Dadurch verbessern die Kinder die Kontrolle über die eigenen Fähigkeiten und den eigenen Körper. Dies fördert die Selbstachtung und daraus resultierend auch den sozialen Umgang mit Anderen.
Der Aufenthalt im Freien stärkt das Immunsystem und verringert die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten. Die räumliche Weite vermindert das Infektionsrisiko.
Wie oben beschrieben, werden Haltungsschäden vorgebeugt.
Durch Bewegen an der frischen Luft verbessern sich die Lungenfunktionsfähigkeit und damit die Sauerstoffzufuhr der Organe, was eine optimale Entwicklung der inneren Organe, besonders des Gehirns ermöglicht.
Unser heutiger Alltag ist von einer penetranten optischen und akustischen Reizüberflutung geprägt. Durch die Stille im Wald treten dominierende Alltagsgeräusche in den Hintergrund. Die Konzentration auf leise Geräusche wird möglich, und gleichzeitig können die Kinder andere Reize wahrnehmen. Die Möglichkeit der Wahrnehmung mit allen Sinnen ist hier gegeben. Diese werden sensibilisiert und die Konzentrationsfähigkeit steigt.
Meine Tagespflege werden überwiegend Freitaler Kinder besuchen. Deren Alltag ist geprägt vom Leben in der Groß- und Industriestadt. Die oben erwähnte Reizüberflutung durch Industrie und Verkehr, vor allem akustisch durch Zug und Rettungsfahrzeuge, ist für sie Normalität.
Außerhalb städtischer Grenzen habe ich Möglichkeit, den kindlichen Enthusiasmus für die Natur und deren Probleme zu wecken. Die Kinder sollen erfahren, dass der Mensch auf die Natur und deren Erhaltung angewiesen ist. Sie können an kleinen Beispielen die Auswirkungen menschlichen und ihres eigenen Handelns erleben. Am Zertreten eines Pilzes lässt sich die Zerstörung ganzer Wälder erklären.
Während meiner Beschäftigung mit den Themen der naturnahen Tagespflege hat es bei mir eine Verschiebung der pädagogischen Wichtungen gegeben. Inzwischen erscheinen mir die sozialen Komponenten wichtiger als die ausschließliche Priorisierung der ökologischen Grundgedanken.
Als Mann mit dem Konzept der naturnahen Tagespflege sehe ich mich als eine sinnvolle Ergänzung der bestehenden Angebote der Kinderbetreuung.